Fotografie und Musik haben eine Gemeinsamkeit: Gute Werke haben bestimmte Eigenschaften, die sie erfüllen. In der Reisefotografie wirst du auch viele Landschaftsfotos machen. Was sind diese Eigenschaften bei einer guten Landschaftsfotografie? Und was wird irrtümlich als wichtig betrachtet?

Ein gutes Foto zu gestalten ist wie das Komponieren eines Musikstückes: Nur die Melodie zu spielen reicht nicht aus. Die Gesamtkomposition muss stimmen. Alles muss zusammenpassen. Erst eine gute Begleitung macht die Komposition vollständig. In der Fotografie ist es das Gleiche: Es reicht nicht aus ein schönes Motiv zu haben. Du musst es auch richtig in Szene setzen.
Wie in einem Musikstück gibt es auch in der Landschaftsfotografie bestimmte Elemente, die ein Foto deutlich verbessern. Und Elemente, die fälschlicher Weise als wichtig betrachtet werden.
Der Horizont
So einfach und doch so oft nicht ausreichend beachtet: Habe einen geraden Horizont!
Landschaftsaufnahmen haben meistens auch einen Horizont. Beim Fotografieren – vor allem, wenn die tägliche Routine nicht da ist – beschäftigen einen viele Dinge. Kameraeinstellungen, Bildausschnitt, die Angst den perfekten Moment zu verpassen. Wenn du nicht bewusst fotografierst geht ein gerader Horizont schnell mal durch die Lappen.

Krumm und schief! - Durch den schiefen Horizont hat man das Gefühl, dass jeden Moment alles nach links kippt.
Die folgenden Tipps helfen dir den Horizont sauber auszurichten:
- Achte bei der Wahl des Bildausschnittes auf den Horizont.
- Benutze [amazon text=eine Wasserwage auf deiner Kamera&asin=B010QLQNV2]* um sie gerade auszurichten.
- Blende dir die Hilfslinien in deinem Display ein.
- Benutze ein Stativ. So kannst du deine Kamera wesentlich präziser ausrichten.
Glücklicherweise kann man den Horizont in Sekunden in der Nachbearbeitung gerade rücken. Wieso also vor Ort darauf achten?
Regel 1: Versuch Probleme immer beim Fotografieren zu lösen, anstatt in der Nachbearbeitung!
Dazu ein kleines Gedankenspiel: Du hast einen schiefen Horizont in deinem Foto. In der Nachbearbeitung willst du ihn gerade rücken. Dadurch wird das Bild an den Rändern leicht beschnitten. Das könnte Elemente im Randbereich anschneiden. Personen, Bäume, was auch immer. Da sie angeschnitten stören, beschneidest du das Foto weiter um sie ganz aus dem Foto zu entfernen. Durch diesen Beschnitt hat sich die Bildaufteilung geändert. Dein Foto ist nicht mehr im Gleichgewicht. Du beschneidest das Foto weiter um die Komposition wieder zu Recht zu rücken.
Du merkst: Durch das Beschneiden verlierst du nicht nur Auflösung sondern auch Teile des Bildes. Manchmal mehr, als man zu Beginn denkt. Genau so einfach, wie du das Problem in der Nachbearbeitung beheben kannst, kannst du es auch beim Fotografieren vermeiden. Das spart darüber hinaus Zeit in der Nachbearbeitung.
Die Perspektive
Jeder sieht die Welt aus einer bestimmten Höhe: Seiner Augenhöhe. Dadurch wirken Fotos aus dieser Höhe schnell langweilig. Die Perspektive ist nichts Besonderes. Sie ist nichts Neues und nichts Spannendes.
Zeige mit deinen Fotos die Welt auch aus einer anderen Perspektive. Von weit oben, von weit unten, senkrecht nach oben, senkrecht nach unten… die Möglichkeiten sind endlos.

Die SunVoyager in der isländischen Hauptstadt Reykjavik - Durch die ungewöhnlich tiefe Perspektive entsteht ein interessantes Motiv.
Probiere es aus: Schnapp dir deine Kamera und suche dir eine Landschaft deiner Wahl. Mach drei Fotos:
- Diagonal nach unten
- Aus Augenhöhe
- Diagonal nach oben
Oft wird dir das Foto aus Augenhöhe am wenigsten gefallen.
Bewusst die richtige Perspektive für dein Foto zu wählen ist besonders wichtig. Vieles kannst du in der Nachbearbeitung gerade rücken, die Perspektive nicht. Du kannst stürzende Linien entfernen, jedoch keinen Perspektivenwechsel vornehmen. Es gibt keinen Regler mit dem du die Kamerahöhe in der Nachbearbeitung einstellen kann.
Die Komposition
Schreib es dir auf die Rückseite deiner Kamera: Balance! Belichtung, Farben, Gleichgewicht zwischen Vordergrund, Motiv und Hintergrund… in einem guten Foto befindet sich alles in einem Gleichgewicht oder bewussten (!!!) Ungleichgewicht.

Die Menge an Vordergrund ist deutlich größer als das Motiv. Durch die schwarze Farbe und Positionierung des Motivs (der Silhouette) ist das Foto im Gleichgewicht
Durch eine gute Komposition sorgst du für Balance im Bild ohne dass das Foto langweilig wird. Eine Liste mit interessanten Links zum Thema „Komposition“ findest du im letzten Artikel der Serie.
Das Licht
Du hast es bestimmt schon mal gehört: Das Wort Fotografie bedeutet so viel wie „malen mit Licht“. Diese Wortherkunft sagt es ziemlich eindeutig: Fotografie ist das Malen mit Licht. Was macht folglich eine gute Fotografie aus? Gutes Licht!
Manchmal ist es so einfach, oder?
In der Landschaftsfotografie ist deine Hauptlichtquelle am Tag die Sonne. Für gutes Licht musst du wissen, wann die Sonne gutes Licht gibt.
Lerne Licht zu sehen: Wo kommt das Licht her? Wie hart sind die Lichtquelle und damit die Schatten? Fang an alles als Kompositionen von Licht zu sehen. Das ist einer der wichtigsten Schritte zur Entwicklung deines fotografischen Blicks. Doch wann ist das Sonnenlicht nun am besten?
- Um Sonnenaufgang und Sonnenuntergang herum. Die „goldene Stunde“ und „blaue Stunde“ erzeugen stimmungsvolle Landschaftsaufnahmen.
- Wolken vor der Sonne wirken tagsüber wie ein Diffusor. Sie zeichnen das Licht der Sonne weich.
- Schatten werden länger, je tiefer die Sonne über dem Horizont steht.
- Das Licht der Sonne wird wärmer, je tiefer die Sonne über dem Horizont steht.
Die beste Zeit und somit das richtige Licht ist abhängig von deinem Motiv und deiner Bildaussage.
Für den Anfang sind Sonnenaufgang und Sonnenuntergang ein guter Anfang. Sie erzeugen ein weiches und stimmungsvolles Licht.
Verwechsle das Fotografieren bei Sonnenaufgang oder Sonnenuntergang nicht mit dem Fotografieren von Sonnenaufgängen und Sonnenuntergängen. Wichtig ist die Art des erzeugten Lichtes. Die Sonne muss kein Teil der Komposition sein. Oder würdest du im Fotostudio den Blitz zum Teil deiner Aufnahme machen?

Aus dem fahrenden Auto heraus fotografiert! Die durch die Wolken strahlende Sonne erzeugt das passende Licht für eine gute Landschaftsaufnahme.
Drei Anker
Eines der interessantesten Eigenschaften einer guten Landschaftsfotografie. Nicht immer leicht umzusetzen erzielt es immer seine Wirkung.
Baue drei Anker in dein Foto ein. Dabei handelt es sich um Bildelemente, die den Betrachter durch die Fotografie führen: Durch Vordergrund, Mittelgrund und Hintergrund. Die Anker leiten den Blick des Betrachters durch das Foto.
So bekommst du einen guten Vordergrund-Anker: Such dir mit einem Weitwinkelobjektiv eine markante Struktur. Steine, Muster, Reifenspuren… fast alles kann dir als Anker dienen. Begib dich mit deiner Kamera DIREKT hinter diese Struktur. Durch die Charakteristik des Weitwinkels sind Elemente im Vordergrund deutlich größer. Einer der beliebtesten Methoden für Vordergrund-Anker in der Landschaftsfotografie.

Beim ersten Versuch habe ich von weiter oben fotografiert. Das Ergebnis hat mich nicht zufrieden gestellt.
Die falschen Freunde
Zum Abschluss noch die Eigenschaften, die oft fälschlicherweise für gute Landschaftsfotografie vorausgesetzt werden.
- Ein Landschaftsfoto muss im Querformat sein.
Die Querformat- oder Landschaftsorientierung wird bei Landschaftsaufnahmen oft verwendet ohne wirklich einen Grund dafür zu haben. Es gibt genügend Beispiele die zeigen, dass das keine Voraussetzung für ein gutes Landschaftsfoto ist. - Die Landschaft muss außergewöhnlich sein.
Es macht die Arbeit einfacher, wenn du eine außergewöhnliche Landschaft fotografierst. Du lieferst dem Betrachter dadurch bereits etwas Besonderes. Es ist jedoch keine Voraussetzung. Auch gewöhnliche Wiesen können gute Landschaftsfotos liefern.
Fazit
Ein gerader Horizont, eine gute Perspektive und Komposition, passendes Licht und Anker. Diese Eigenschaften findest du in den meisten guten Landschaftsfotos. Wie immer gibt es auch Ausnahmen. Ich kenne jedoch kein schlechtes Landschaftsfoto, das alle Eigenschaften erfüllt.
Damit du diese Eigenschaften nicht mehr vergisst, hab ich sie in einer Checkliste zusammengefasst.
Druck sie dir aus, pack sie dir in deine Kameratasche und teil sie mit deinen Freunden. Du darfst sie unverändert auch gerne weiterverwenden.
Die oben genannten Eigenschaften beim Fotografieren zu sehen und in dein Foto einbauen zu können erfordert Übung. Darüber habe ich bereits in meinem letzten Newsletter-Tipp geschrieben: Es ist wichtig nicht nur die Theorie zu lernen, sondern sie auch in der Praxis anzuwenden. Dein erstes Musikstück wird nicht dein bestes werden. Also geh raus und übe wie ein Weltmeister!

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Hallo Niklas,
wieder ein schöner Artikel, viele hilfreiche Tipps, nicht nur für die Landschaftsfotografie ;)
Am besten gefällt mir der Verweis darauf Dinge zuerst fotografisch zu lösen, anstatt in der Nachbearbeitung.
Es gibt da noch so 2-3 Dinge, die sich sowieso nur vor Ort gut realisieren lassen, wie Langzeitbelichtungen (mit ND-Filter), oder gar Spiegelungen zu entfernen mit einem Pol-Filter.
Viele Grüße
Fabian
Hallo Fabian,
freut mich, dass dir der Artikel wieder gefällt!
Das sind nochmal zwei gute Beispiele für Hilfsmittel, die du viel einfacher vor Ort lösen kannst als in der Nachbearbeitung. Man stelle sich mal vor wir würden anfangen Reflektionen zu retuschieren oder eine Serie von Fotos zu machen um diese dann in der Nachbearbeitung zu einer „Langzeitbelichtung“ zusammenzusetzen. Bei Langzeitbelichtungen führt das evtl. sogar noch zu vergleichbaren Ergebnissen, jedoch vom Aufwand her deutlich umständlicher als das alles einfach vor Ort zu lösen.
Danke für diese Beispiele :)