Ahnungslos.
Auf meinem Bildschirm sehe ich einen Haufen an Bildern. Sie alle zeigen das gleiche Motiv.
Ich habe auch ein Foto von diesem Motiv gemacht, aber die Bildbearbeitung so auf den Punkt wie in manchen dieser Werke? Das bekam ich damals einfach noch nicht hin.
Denn ich hatte keine Ahnung von Farben.
Dieses Erlebnis ist nun schon eine Weile her. Ich hatte mich zu dieser Zeit bereits länger mit der Fotografie beschäftigt und viel über Bildkomposition und bewusstes Fotografieren gelernt.
Aber von einer Sache hatte ich keine Ahnung: wie ich eine perfekte Farbbalance erreichen kann.
Farben im Gleichgewicht – Das Salz in der Suppe
Eine gute Fotografie lebt von Emotionen.
Denn nur, wenn dein Werk den Betrachter emotional berührt, bleibt er stehen oder hört auf zu scrollen. Er schenkt deinem Werk die wichtigste Ressource, die dir jemand heutzutage geben kann: seine Zeit.
Es gibt viele Faktoren, die Einfluss auf die Bildstimmung haben. Eine davon wird häufig stark vernachlässigt: die bewusste Wahl der Farben und die Farbbalance.
Das schließt auch monochrome Fotografie ein. Denn auch die Entscheidung ein Bild ohne Farben zu gestalten, hat einen Einfluss auf die Bildstimmung.
Wenn du schon einmal erlebt hast, wie eine kleine Veränderung des Weißabgleichs die Bildstimmung komplett verändert hat, dann weißt du, wovon ich rede.
Es ist noch kein Meisterkoch vom Himmel gefallen
Kleinste Anpassungen in der Farbbalance deines Bildes können einen großen Unterschied machen. Denn so wie eine Prise Salz aus einem perfekten Gericht eine Katastrophe machen kann, so kann eine Farbe die komplette Bildstimmung verändern. Aber die richtige Balance hinzubekommen ist leichter gesagt als getan.
Aber wie kannst du es schaffen die Farben in deinen Bildern auf den Punkt zu mischen?
Der Lehrling muss lernen, wie sich Zutaten auf ein Gericht auswirken. Und genau wie der Kochlehrling musst auch du in der Fotografie erst lernen, wie du die vorhanden Zutaten aufeinander abzustimmen kannst.
Dafür musst du aber nicht nur die Zutaten alleine kennen, sondern auch wissen, wie sie miteinander wirken.
Am Anfang mag es noch chaotisch wirken, wenn der Meisterkoch ein Gericht abschmeckt: „Ein bisschen hiervon. Ein wenig davon. Ach und davon auch noch was.“
Aber mit der Zeit wird der Lehrling lernen: Das ganze folgt einem System.
Und genau wie Kochen bestimmten Regeln und Systemen folgt (die sich natürlich auch in der Küche nach Belieben brechen lassen), so folgt auch die Fotografie bestimmten Regeln und Systemen.
Wie du dir die Farben deiner Bilder mit System vornehmen kannst, das ist Thema dieses Artikels.
Ein Tag in Schottland
Vor einiger Zeit war ich in Schottland. Dort habe ich auch ein Foto einer Eisenbahnbrücke gemacht. Die jüngere Generation wird sie sicherlich aus den Harry Potter Filmen kennen.

Als ich die Bilder von der Kamera importierte, war ich zufrieden mit der Bildkomposition und dem Moment. Doch irgendwie hielt mich das Bild nicht fest. Es war für mich kein Kunstwerk, sondern nur ein x-beliebiges Foto.
Ich war unzufrieden mit mir selbst und habe etwas getan, das ich bis dahin nur sehr selten machte: Ich öffnete das Bild in Photoshop und entfernte die grünen Farben.
Und plötzlich war es da. Mein finales Bild, das ich mir seit dem immer wieder angesehen habe und nach wie vor sehr zufrieden mit dem Ergebnis bin.

Ich habe damals noch nicht ganz verstanden, warum die Entfernung der grünen Farbtöne so einen Unterschied machte.
Denn lange unterschätzte ich, wie wichtig eine gute Farbbalance für ein Bild ist. Damals wusste ich nicht, was ich mit den Farben in meinen Bildern tun soll. Ich konnte nur mit dem arbeiten, was an Farben im Bild vorhanden war.
Also habe ich die gezielte Farbanpassung oft ausgeklammert.
Gerechtfertigt habe ich das damit, dass ich das Bild nicht manipulieren wolle. Schließlich wollte ich die Landschaft „so wie sie ist“ einfangen.
Irgendwann habe ich mir das Buch „Das ABC der Farben“* gekauft. Dieses habe ich auch in meinem Artikel mit Buchempfehlungen für die Landschaftsfotografie vorgestellt. Mit jeder Seite des Buches habe ich das Thema Farbharmonie besser verstanden.
Ich habe inzwischen das Potenzial harmonischer Farbbalance erkannt und dieses Werkzeug fest in meinen Werkzeugkasten der Bildbearbeitung integriert.
Das bedeutet nicht, dass ich Landschaften erschaffe, die so nicht existieren. Ich sehe es so: Genau so, wie du in der Fotografie lernen musst Licht zu sehen und mit Licht zu arbeiten, so musst du auch lernen Farben zu sehen und mit ihnen zu arbeiten.
Und genau so, wie du die Lichtstimmung in der Bildbearbeitung gezielt anpassen kannst, kannst du dies auch mit den Farben.
Die Basis aller Farben – Der HSL Farbkreis
Um Farben zu verstehen und aufeinander abstimmen zu können, musst du zuerst einmal den Farbkreis kennen.
Und da geht es schon los.
Denn eigentlich gibt es DEN Farbkreis nicht. Es gibt in der Farblehre viele verschiedene Farbmodelle und damit auch viele verschiedene Farbkreise.
Ohne ihm einen Namen zu geben, orientieren wir uns in diesem Artikel an dem folgenden Farbkreis:

Farben bestehen in unserem Modell aus drei Eigenschaften: dem Farbton, der Sättigung und der Helligkeit. Auf Englisch: hue, saturation und luminosity.
Kurz: HSL
Wenn du mit Adobe Lightroom arbeitest, kommt dir der Begriff eventuell bekannt vor. Dort gibt es im Entwicklungsmodul einen eigenen Bereich für genau diese Werte.

Unser Farbkreis stellt diese drei Eigenschaften einer Farbe wie folgt dar.
- Der Helligkeitswert beträgt immer 100%.
- Von Innen nach Außen nimmt die Sättigung der Farbe zu und wird in Prozent angegeben.
- Im Uhrzeigersinn verändert sich der Farbton von Rot über Grün und Blau zurück nach Rot. Dieser Wert wird in Grad angegeben (0-360 Grad)
Nun kennst du die Basis für die nun folgenden Rezepte für eine gute Farbbalance.
Die wichtigsten Rezepte zu perfekten Farben
So wie es endlos viele Regeln für die Bildkomposition gibt, gibt es auch viele Regeln für die Farbbalance. Die folgenden Regeln erheben daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit und sind bei weitem nicht alle. Sie sind allerdings die einfachsten und am weitesten verbreiteten Farmkombinationsregeln.
Darüber hinaus kannst du sie dir wie die Drittelregel in der Bildgestaltung vorstellen: Du musst sie nicht zu genau nehmen darfst sie auch nach Lust und Laune (bewusst) brechen, wenn dich das deiner Vision näher bringt.
Rezept 1: Monochromatische Kombination von Farben
Bei der monochromatischen Farbkombination werden nur Farben eines Farbtones kombiniert. Die Sättigung und Helligkeit der Farbe kann variieren.

Die monochromatische Farbkombination eignet sich besonders für Bilder Strukturen und Mustern bei denen der Fokus auf diese Strukturen gelegt werden soll.

Wie du nicht-monochromatische Bilder bearbeiten kannst und sie monochromatisch einfärben kannst, zeige ich dir in meinem Video über Farbharmonien.
Einfach auf den Abspielknopf drücken und das Video spielt ab der entsprechenden Stelle.
Rezept 2: Komplementärfarben
Die zweite Kombinationsregel ist die Kombination zweier Farbtöne. Dabei kombinieren wir einen Farbton immer mit dessen Komplementärfarbe.
Die Komplementärfarbe liegt der Primärfarbe auf dem Farbkreis gegenüber.

Da in unserem Farbkreis die kühlen, bläulichen Farbtöne den warmen, gelblichen Farbtönen gegenüberliegen, kombinieren wir dabei immer einen warmen mit einem kalten Farbton.
Für die komplementäre Farbbalance ist es nicht entscheidend, dass Helligkeit und Sättigung übereinstimmt. Da wir mit vielen Schattierungen deiner beiden Farbtöne arbeiten. Wichtig ist nur, dass die Farbtöne sich halbwegs genau gegenüber liegen.

Wie ich mit der Regel der Komplementärfarben arbeite, zeige ich dir ebenfalls in meinem Video über Farbharmonie.
Einfach auf den Abspielknopf drücken und das Video spielt ab der entsprechenden Stelle.
Die Farben kannst du auf die gleiche Art und Weise anpassen, wie ich es weiter oben zur monochromatischen Farbregel in dem Video bereits erklärt habe.
Rezept 3: Triadische Farbkombination
Die triadische Farbkombination kombiniert drei Farben miteinander. Diese Farben liegen auf dem Farbkreis gleich weit voneinander entfernt.

Genau wie bei der komplementären Farbmischung ist auch bei der triadischen Farbmischung die Helligkeit und Sättigung nicht entscheidend.

Auch die triadische Farbmischung zeige ich in meinem Video über Farbharmonie und zeige dir eine der am weitesten verbreiteten triadischen Farbkombinationen.
Einfach auf den Abspielknopf drücken und das Video spielt ab der entsprechenden Stelle.
Zusammenfassung
Nun kennst du die einfachsten und wichtigsten Regeln für eine perfekte Farbbalance. Die monochromatische, die komplementäre und die triadische Farbmischung.
Mit diesem Wissen kannst du nun deine bereits existierenden Bilder analysieren oder auf Motivsuche gehen und versuch doch einmal Farben gezielt anzupassen.
So wie bei den Kompositionsregeln, gibt es auch bei den Farbkombinationen viele weitere Möglichkeiten deine Farbtöne zu kombinieren. Diese drei Regeln sind ein guter Einstieg in das Thema Farbharmonie.
Inzwischen bin ich nun also nicht mehr ahnungslos. Ich weiß, warum das Bild der Zugbrücke besser wirkt, wenn ich die grünen Farben aus dem Bild entferne: Sie lenkten von dem Motiv ab und brachten die Farbbalance aus dem Gleichgewicht.
Nun bist du dran: Koche dein eigenes Gericht!
Um das gelernte direkt zu erproben, empfehle ich dir folgendes:
- Such dir eine Farbkombinationsregel aus.
- Durchsuche deine Bildersammlung nach einem Bild, das zu dieser Farbkombination passt oder bei dem du dir eine entsprechende Bearbeitung vorstellen kannst.
- Mache eine Kopie dieses Bildes.
- Schau dir das Bild genau an, suche nach Farben, die nicht der Regel entsprechen und versuche diese Farben durch eine gezielte Bearbeitung aus dem Bild zu entfernen.
- Vergleiche deine alte Bearbeitung mit der neuen. Welches Ergebnis gefällt dir besser?
Nun wünsche ich dir viel Spaß beim Fotografieren und der Bildbearbeitung!
Dein

Hallo Niklas,
das Eishöhlenbild aus Island ist wunderschön. Ein ähnliches haben wir auch auf unserer Weltreise 2015 gemacht. Die Höhlen sind einfach ein grandioses und einzigartiges Fotomotiv.
Viele Grüße
Michael & Sandra
So ist es :) Einer der Gründe, weshalb ich immer wieder und vor allem im Winter nach Island fahren würde ;)